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M1.N1.2 – Major Mallory
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Captain Mallory erwachte wie in einen Dunst.
Die Formen und Farben in seinem Kopf, wie freischwebende Partikel, versuchten sich irgendwie zu sinnvollen Molekülen zu vereinigen, aber wurden immer wieder voneinander abgestossen. Er versuchte halbwegs aufzustehen, und hörte wie etwas, das Wort Glas kam ihm in den Kopf, schepperte. Zwei leeren Flaschen Whisky und ungezählte Dosen Bier lagen vor seiner Pritsche.
Oh, beim Goldenen Thron, was für ein Alptraum, was für ein Kater. Sein Kopf pochte wie ein Presslufthammer.
Es ratterte und hämmerte um ihn herum. Langsam versetzte sich das Hämmern von seinem Kopf nach außen, bis Mallory realisierte dass es von der Tür kam.
Bom. Bom. Bom.
„Captain Mallory, Colonel Kustar wartet bereits seit zehn Minuten auf Sie!“
Colonel Kustar? Oh nein. Das Kriegsgericht. Mallory hatte seine gesamte Kompanie in dem Einsatz verloren. Alle waren bis auf den letzten Mann aufgerieben worden. Nur er, der kommandierende Offizier, war völlig unverletzt am Leben….
Keine Überlebenden, keine Zeugen, nicht einmal Aufnahmen. Das würde schwierig zu erklären sein.
Mallory setzte sich ächzend auf, griff nach seiner Uniformhose, versuchte seine Socken zu finden, sah sie in einer Pfütze aus Bier und entschied sich dann einfach barfuss in die Uniformschuhe zu schlüpfen. Er hoffte auf ein schnelles Urteil. Er wusste nicht ganz genau was auf Fahnenflucht stand. Henkersmahlzeit und dann Erschiessungskommando oder so. Wenn er Glück hatte wurde es einfach als Unfähigkeit zur Führung gewertet. Haft und unehrenhafte Entlassung. Wenigstens würde es vorbei sein. Wenn Mallory ehrlich zu sich war war er die letzten Jahre eigentlich nie richtig anwesend gewesen. Er wusste nicht warum man ihn mitgeschleift hatte. Er war mehr der Geist eines Soldaten, als ein richtiger Offizier. Immer wieder hatte er darum gebeten dass man ihn gehen liessen. Mallory wankte zum Waschbecken. Er gurgelte etwas Wasser und spuckte es zurück in das Metallbecken. Er sah in den kleinen Stahlspiegel. Die dunkelblauen Augenringe zeichneten sich ab wie die Jahresringe einer alten Eiche, müde und abgekämpft.
Mallory griff nach der Uniformjacke, zog sie ohne Hemd an, und schlurfte zur Tür. Der junge Unteroffizier mit Seitenscheitel beäugte ihn kritisch, aber salutierte dann nur zackig und marschierte vorneweg. Im Lager draussen herrschte infernalischer Lärm. Valkyries, Thunderbolts und andere Flugmaschinen landeten und starteten. Die Ankunft eines neuen Regiments. Neue motivierte und hoffnungsfrohe Soldaten die im Schmelzofen des Imperium verheizt würden.
Es dauerte nur kurz bis sie das in einem Zelt eingerichtete Feldbüro von Colonel Kustar erreichten.
Einige Stahlkisten dienten als Kartentische. Dokumente lagen herum und die Luft war schwanger von Zigarrenrauch. Es war unglaublich heiß und hell in dem Zelt, denn man hatte als Beleuchtung einen der Feldscheinwerfer in die Ecke gestellt. Zum Glück war er gegen die Zeltwand gedreht, aber dennoch war alles mit grellen Schlagschatten erhellt. Die Rauchschwaden von Kustars Zigarre zeichneten sich als Schatten an der Wand ab.
Kustar war gerade dabei in ein Feldtelefon zu schreien, während er mit einer schwappenden Kaffeetasse zu den Karten gestikulierte. Mallory schwankte in das Zelt. Vor ihm stand ein Stuhl. Um nicht zu fallen hielt er sich an der Lehne fest. Er wäre liebend gerne einfach hinein geplumpst. Er sah Kustars berühmte Energiefaust vor sich auf einer Kiste liegen. Mit einiger Irritierung nahm Mallory ein darauf gemaltes rosa Herzchen war. Er runzelte die Stirn bis er das kleine Familienfoto mit Kustars kleiner Tochter sah welches der Colonel vor sich auf dem improvisierten Tisch stehen hatte. Der Mann hatte Nerven.
Kustar hing auf, wobei er den Hörer runter knallte. Er knurrte das Telefon wütend an. Dann bemerkte er Mallory.
„Ah, Captain, da sind sie ja!“
Kustar sah Mallory an und hob kritisch eine buschige Augenbraue während er sich den Schnauzer zwirbelte. Mallory versuchte zu salutieren.
„Wohl gestern noch etwas gefeiert ? Dann haben sie es vielleicht schon durch den Flurfunk gehört. Schade, schade , ich hatte mich darauf gefreut es ihnen persönlich zu sagen !“
„Wie? Was? Was sagen? Worum geht es? Sir, meine ich.“
„Ihr Antrag, Mallory, ihr Antrag ist durchgegangen.“
Mallory fühlte wie sich eine unerhörte Leichtigkeit seines Herzens bemächtigte. Das waren bessere Nachrichten als er es sich erhofft hatte. Er hatte ein Dutzend Anträge für vorzeitigen Ruhestand abgeschickt. Nun endlich würde man ihn in Ruhe lassen, ihn endlich gehen lassen. Vor Mallorys Augen formte sich das Bild eines kleinen Häuschens im Grünen, weitab von allen Menschen, Xenos und ihren Kriegen, vielleicht bei einem kleinen Angelteich…
„Ja, Mallory, das Administratum hat entschieden ihnen den Sanguinius-Orden zu verleihen. Weiterhin wird ihrer Bitte stattgegeben ihren Dienst nochmal sechs Jahre zu verlängern. Sie bekommen ein neues Kommando, ganz vorne an der Front. So wie sich es sich gewünscht haben !“
Mallory zwinkerte, nicht sicher ob er gerade richtig gehört hatte.
„Die 66te Archeron Airborne! Potzblitz, eine Teufelstruppe! Immer da wo das Feuer am heißesten ist, ha ha ha. Echte Draufgänger! Aber ein verwegener Kerl wie sie wird da schon perfekt hineinpassen!“
„Wa – waaas? Orden? Versetzung?“
„Ja! Eine Luftlandeeinheit! Komplett luftmobil. Hochgetunete Valkyries, experimentelle Hot-Shot Laser! So ziemlich das Waghalsigste was man sich vorstellen kann, Sie alter Haudegen! Sie können doch mit Grav-Chutes umgehen, Mallory ?“
„Grav-Chutes? Luftlandetruppe? Aber meine Grav-chute Ausbildung liegt fast fünfzehn Jahre zurück … “
„Ha, na dann lernen sie lieber schnell um wenn sie nicht als Fettfleck auf dem Beton von Beltrice enden wollen! Ha ha ha !“
Mallory fühlte wie ihm vor Entsetzen alles Blut aus dem Gesicht wich.
„Na gut, ich sehe sie haben ihr Glück noch gar nicht richtig verarbeitet! Machen Sie sich erstmal mit der Truppe bekannt, das ist eine Horde von Fanatikern, sage ich Ihnen! Ein jeder von ihnen ein kleiner Kommissar!“
„ Aber… “
„Wir beide sehen uns um null sechshundert zur Morgenbesprechung! Sehen Sie zu dass ihre persönlichen Affären geordnet sind, Sie werden die nächsten Monate komplett hinter den feindlichen Linien operieren!“
Mallory salutierte, wankte zur Öffnung des Zeltes. Er fühlte sich so benommen dass er nichts zusammenhängendes sagen konnte.
„Ach ja, Mallory, eines noch.“
Mallory drehte sich um, betäubt den Mund öffnend, aber keine Worte kamen hervor. Sein Mund bewegte sich wie der eines Fisches der auf dem Trockenen lag.
„Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung, Major !“