BELTRICE
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Ein langer Tag

„Gute Arbeit, Sergeant. Wegtreten.“

Sergeant Kyla Treis salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Kommandoposten. Vor der Stahltür des dunkelgrauen Bunkers schlug ihr sofort wieder der Geruch des Schlachtfeldes entgegen: Eine unangenehm gewohnte Mischung aus öligem Rauch, verbrennendem Promethium und getrocknetem Blut wehte über die felsige Einöde, in der sich die Forward Operation Base des 509. Catachan Regiments befand.

Treis blickte sich um und atmete bewusst aus. Sie spürte, wie sich ein bisher unbekanntes Gefühl der Erleichterung in ihr ausbreitete. Zum ersten Mal an diesem Tag spürte sie, wie erschöpft sie war. 

Sie ging ein paar Schritte ziellos umher, bis sie eine ruhige Ecke zwischen zwei Panzersperren fand – und ließ sich einfach fallen.

Ihre Uniform war abgerissen, bedeckt vom Staub und Ruß der vergangenen Stunden – und verschmiert mit einer Mischung aus grünem und dunkelroten Blut. Keines davon war ihr eigenes – oder doch? Sie hatte sich nach der Rückkehr zur FOB noch gar nicht vom Medicae durchchecken lassen.

Fast wie in Zeitlupe öffnete sie den Verschluss ihres Gefechtshelms und ließ ihn einfach vom Kopf gleiten. Sie öffnete die Schnallen ihrer Kampfweste, nahm einen Schluck aus ihrer Feldflasche – und starrte ins Nichts.

Eine simple Patrouille. So hatte alles begonnen. 

Commander Palin hatte sie aus der Luke seines Leman Russ Battle Tanks zu einem aufgegebenen Außenposten geführt, von dem vermutet worden war, dass die Grünhäute ihn in Beschlag genommen hatten. Zu Recht, wie sich wenig später herausstellen sollte. Diese Entdeckung war der Beginn eines Tages, der über seinen Verlauf zu einem Höllentrip eskaliert war, wie sie ihn selbst noch nicht erlebt hatte. 

Die Präsenz der Orks war viel stärker gewesen, als die sinnlose Fernaufklärung vermutet hatte. Kurz nach Ankunft bei Outpost Theta Septimus waren die grünen Monster über sie hergefallen. Die Orks hatten schweres Gerät mitgebracht: Artillerie, Killa Can Cybots und ein schier unendliches Heer aus grünen Monstern mit selbstgebauten Raketenwerfer.

Brains und Vicco waren von einer der umherstampfenden Bestien aus Metall zerrissen worden, bevor Treis selbst ihr Kettenschwert tief im Inneren der Stahlbüchse versenken konnte und sie schließlich zu Fall brachte. Mit Hilfe der eiligst herbeigeorderten Verstärkung hatten sie den ersten  Angriff der Grünhäute abwehren können – doch das war nur der Anfang gewesen. Kurze Zeit später stand die FOB selbst unter Feuer, und nur unter großen Verlusten war es den Soldaten des Imperiums gelungen, auch diesen Angriff abzuwehren.

Treis Blick fiel auf ihre geschundenen Stiefel. Im Licht der untergehenden Sonne glitzerte ihr linker Fuß in leuchtendem Rot. Wie in Gedanken zog sich Treis einen ellenlangen Metallsplitter aus der Wade. Sie sollte definitv bald mal das Medicae Zelt aufsuchen.

Langsam spürte sie, wie ihr Körper sich nach der Schlacht entspannte – und der Schmerz sich in ihr ausbreitete. Jeder Muskel ihres schlanken, sehningen Körpers schien aufzuschreien. Ihre Glieder schmerzten, kribbelten, schienen sich ihrer Kontrolle entziehen zu wollen. Am Klappern ihrer Feldflasche erkannte Treis, dass ihre Hände begonnen hatten unkontrolliert zu zittern.

Sie steckte die Flasche zurück an den Gürtel. Albern. 

Dies war nicht ihr erstes langes Gefecht gewesen. Im Gegenteil, eigentlich hatte sie schon deutlich schlimmere Tage im Feld überstanden. Aber nicht als Sergeant.

Erst vor drei Tagen hatte sie ihre Feldbeförderung durch Colonel Kustar persönlich erhalten, nachdem Sergeant Miroy von einer Laserkanone pulverisiert worden war. Heute war ihre Feuerprobe gewesen, und sie könnte nicht stolzer auf ihre Truppe sein – auch wenn nicht mehr viele übrig waren.

Der Gegenangriff der Orks auf die FOB war massiv, präzise und widerwärtig brutal gewesen. Stundenlang stand der Ausgang der Schlacht auf Messers Schneide. Es war nur der widerstandsfähigen Konsitution der Catachaner und dem ungebrochenen Willen ihrer Offiziere zu verdanken, dass sie den Außenposten am Ende doch halten konnten. Neben Brains und Vicco hatten Church und Brawns ihr Leben gelassen, und der über zwei Meter große Tiny lag mit einer hässlichen Fleischwunde im Lazarett, würde aber wohl wieder auf die Beine kommen. Sergeant Blackbanes Spezialeinheit war kurz vor Ende der Schlacht von den Orks in Nahkampf aufgerieben worden – die vier Überlebenden, unter ihnen der Veteranensergeant, lagen schwer verwundet im Krankenzelt und würden Monate brauchen, um wieder halbwegs auf die Beine zu kommen. Commander Palin war samt seines Kampfpanzers von einer seltsamen Strahlenwaffe in geschmolzene Schlacke verwandelt worden. An einem Punkt waren die Verluste an der Front so massiv gewesen, dass Treis schlichtweg entschieden hatte, die versprengten Reste von Sergeant Rocherros Squad unter ihr Kommando zu stellen, um ihren eigenen Trupp im Kampf zu halten. 

Niemand konnte ihnen Feigheit im Dienst des Imperators vorwerfen, soviel war sicher. Sie war stolz, das wurde ihr trotz der Schmerzen immer mehr bewusst. Stolz auf ihren Trupp, stolz auf den Ausgang des Gefechtes, stolz auf den Mut der Offiziere, die an vorderster Front mitgekämpft hatten. Major Reiller selbst hatte den Orkboss mit seiner Power Fist gefällt. Commissar Nir Otrons Power Sword tropfte von grünen Blut der brutalen Xenos. Selbst der sonst so ruhige Captain Jethro war unter Kriegsgebrüll in die anbrandende Masse von Grünhäuten gestürmt und hatte seinen Ernergiehammer in ein halbes Duzend Orkschädel versenkt. Ihr eigenes Kettenschwert hatte zweimal den Dienst versagt, nachdem es sich durch die dicke Haut und improvisierte Panzerung der Xenos gegraben hatte. Sie würde die Klinge aufwendig warten lassen müssen – und vielleicht sogar noch einmal vom Priester segnen lassen.

Treis erinnerte sich wie durch einen verschwommenen Nebel, wie sie am Ende des Kampfes brüllend nach vorn gestürmt war. Ohne Rücksicht auf Leib und Leben hatte sie den befohlen Gegenangriff auf den Frontlinienbunker geführt, war hinauf geklettert und über das Dach der Festung voran gestürmt. Die Orks waren zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Rückzug, aber dabei nicht weniger gefährlich. Es hatte noch einige Zeit gedauert, bis wieder überall auf der Basis der stolze imperiale Adler wehen konnte, ohne das der Schlachtenlärm das Flattern der Flaggen übertönen konnte.

Obwohl die Erinnerung nur ein paar Stunden her war, wirkte sie wie ein Fetzen aus einem anderen, fremden Leben.

„Sergeant?“

Treis blickte auf. Es dauerte einen Moment, bis sie die Silhouette des breitschultrigen Mannes zuordnen konnte, der vor ihr Stand. Captain Jethro.

Sie versuchte sich umgehend aufzurappeln und Haltung anzunehmen, während stechende Schmerzen durch ihren ganzen Körper schossen. Der Captain schien ihren Zustand bemerkt zu haben und machte eine abwehrende Geste. Treis ließ sich wieder fallen.

„Bleiben sie sitzen. Sie haben es sich verdient, jetzt nicht salutieren zu müssen.“

Treis antwortete nicht. Sie wusste schlicht nicht, was sie sagen sollte.

„Es war ein langer Tag. Aber sie und ihre Truppe haben sich hervorragend geschlagen.“

„Danke, sir“, antwortete Treis knapp.

„Wie hat sich die Neue gemacht?“ fragte der Captain ohne Treis anzusehen.

„Privat Luca? Sehr gut, sir. Hat die Nerven behalten und weiß mit ihrem Plasmawerfer umzugehen. Gute Wahl für die Truppe, sir.“

„Das ist gut“, sagte der Offizier gedankenverloren, und erstmals sah auch Treis, dass dieser Tag nicht spurlos an ihm vorbei gegangen sein konnte. Er sah erschöpft aus, nahezu ausgemergelt.

„Wir haben neue Marschbefehle erhalten“, sagte der Captain und richtete seinen Blick wieder auf Treis. „Es geht ins Singlaris Cluster. Mehr Details habe ich noch nicht, bis auf dass die gesamte Battle Group angefordert wurde, anscheinend von höchster Stelle aus.“

„Aha“, sagte Treis, erneut in Ermangelung der passenden Erwiderung.

„Informieren sie ihre Truppe – um 0600 heben die Transporter ab.“

„Verstanden, sir.“ 

„Jetzt lassen sie sich vom Medicae durchchecken. Ein paar Stunden Schlaf und ne heiße Mahlzeit werden ihnen gut tun.“

„Jawohl, sir.“

Der Captain wandte sich zum gehen, drehte sich nach ein paar Schritten aber noch einmal halb zu ihr um. In seiner Hand hielt er ein kleines, silbernes Metallstück.

„Sehen sie zu, dass sie schnell wieder auf die Beine kommen. Ich brauche sie voll einsatzfähig für unser nächstes Deployment – Staff Sergeant.“

Damit warf der Offizier ihr die kleine silberne Spange zu, die er in der Hand gehalten hatte, und verschwand hinter den Barrikaden. Treis blickte auf das metallene Rangabzeichen in ihrer Hand.

Ihre zweite Beförderung innerhalb einer Woche.

Es war wirklich ein langer Tag gewesen.

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